Biohof Hirschvogel
Von glücklichen Bauern
Glückliche Kühe grasen auf einer saftigen Weide. Glückliche Schweine suhlen sich im Schlamm. Glückliche Hennen trippeln gackernd über die Hühnerleiter.
Glückliche Bauern? – Sehen aus wie Georg Hirschvogel. Vor einer großen, zweckmäßigen Lagerhalle springt der 27-Jährige von seinem Hightech-Traktor. Ein junger Bursche in Shorts, T-Shirt und Wanderstiefeln. Lachende Augen, fester Händedruck, ein gstandnes Mannsbild von knapp zwei Metern. Zu so einem Kerl muss fast jeder aufschauen.
Ein Power-Paar: Katharina und Georg Hirschvogel managen ihren Bauernhof hoch professionell.
Auch seine Frau Katharina, aber nur im wortwörtlichen Sinn. Beim Fachsimpeln über die Landwirtschaft sind die beiden sofort auf Augenhöhe: Zwei Profis, ein Power-Paar, das gemeinsam den eigenen Bio-Bauernhof im bayerischen Maisach bei München bewirtschaftet.
Hightech: Ohne moderne Technik läuft bei der Feldarbeit nichts mehr.
So wenig die beiden ins Klischee von Bauer und Bäuerin passen, so wenig schaut es bei ihnen nach Bauernhof aus. Neben der modernen Halle, in der die Hühnereier vom Band laufen, und dem imposanten Fuhrpark im Hof wirkt selbst die schöne große Hühner-Wiese, auf der Hofhund Asta ab und zu eine gackernde Henne aufscheucht, wie ein Anachronismus.
Katharina und Georg verbindet die Leidenschaft für ihren Hof.
Das hier ist der Arbeitsplatz der Hirschvogels am Rande Maisachs. Die beiden wohnen im Ort. Und während Georg damit liebäugelt, Haus und Hof einmal zusammenzulegen, winkt Katharina ab. „Wenn wir hier wohnen würden, wären wir ja nur noch in der Arbeit“, sagt sie mit einem kritischen Seitenblick zu ihrem Mann, der den Wink zu verstehen scheint. Georg Hirschvogel ist Landwirt aus Leidenschaft und nur schwer von der Arbeit wegzukriegen.
In der Halle lagern Berge von Zwiebeln, daneben – versteckt unter Strohballen – Kartoffeln. „Die brauchen es dunkel, sonst werden sie grün“, erklärt der Bauer.
Gerade ist die Ernte vorbei. Zum Glück hatte das Wetter mitgespielt, es war heiß und staubtrocken. Ideal für die Zwiebelernte. Denn Zwiebeln kann man – anders als Kartoffeln – nicht waschen. „Ist es bei der Ernte auch nur ein bisschen feucht, kleben Erdreste an den Zwiebeln und sie schauen grau aus“, sagt Georg Hirschvogel. „Die kann ich dann nicht verkaufen, der Verbraucher will schöne Zwiebeln.“
Seine Zwiebeln liefert Hirschvogel größtenteils an die Vermarktungsgesellschaft Unser Land.
Dieses Jahr glänzen sie, und den Großteil davon wird der Bauer an Unser Land liefern. Das ist eine Vermarktungsgesellschaft für regionale Produkte in Oberbayern. Zur Zeit ist Bauer Hirschvogel ihr einziger Zwiebellieferant in der Region. Zwiebeln sind tatsächlich ein Nischenprodukt, denn der Anbau ist aufwendiger als beispielsweise der von Getreide.
Einen Teil der Zwiebeln verkauft Katharina Hirschvogel in ihrem Hofladen. Dort bekommen die Kunden auch die frischen Eier der Hühner und alles, was der Hof hergibt. Der Hofladen und die Hühner sind mehr Katharinas Ding.
Doch kompetent ist die 27-Jährige in allen Landwirtschaftsbelangen. Weil sie sich in einen Bauern verliebt hatte, machte sie nach dem Abitur eine Landwirtschaftslehre und studierte anschließend Landwirtschaft an der Hochschule in Weihenstephan.
Im Hofladen können die Kunden die frischen Eier der Hühner kaufen.
Katharina kümmert sich um den Hofladen. Dort gibt es alles, was der Hof hergibt: Kartoffeln, Zwiebeln, Eier ...
Außerhalb der Öffnungszeiten können sich die Kunden im Hofladen selbst bedienen: Das Geld werfen sie dann ins Kästchen an der Wand.
Ganz so geradlinig war der Weg von Georg Hirschvogel nicht, obwohl er „Bauer werden“ schon als Bub „so vage“ im Hinterkopf hatte. Der Stiefvater führte eine kleine Landwirtschaft im Nebenerwerb. Viel aufregender und abenteuerlicher waren die Wochenenden und Ferien beim Onkel, der einen Bullenmastbetrieb hat. Dort konnten Georg und sein Cousin nach Lust und Laune werkeln, ihre eigenen Hühner halten und das pure Landleben genießen.
Aber Georg Hirschvogel lernte auch die Schattenseite kennen. Im Jahr 2000 schwappte die BSE-Seuche, der sogenannte Rinderwahnsinn, von England nach Deutschland. Tausende Rinder wurden geschlachtet, die Verbraucher kauften kein Rindfleisch mehr. Viele Landwirte bangten um ihre Existenz.
Ganz lässt Georg Hirschvogel die Landwirtschaft nicht los.
Dieses Erlebnis ist für Georg Hirschvogel so einschneidend, dass er nach dem Schulabschluss eine Lehre zum Elektriker macht. Doch ganz lässt ihn die Landwirtschaft nicht los. Sein Plan: Den Elektromeister machen und im Nebenerwerb Bauer sein.
Vor dem Meister schiebt er deshalb noch eine Landwirtschaftslehre ein. Er lernt Katharina kennen und ist noch in der Ausbildung, als die Eltern überlegen, ihre Landwirtschaft zu verpachten. In Georg sträubt sich etwas dagegen, „das aus der Hand zu geben“, sodass er und Katharina den Entschluss fassen: „Wir pachten.“
Bauern aus Liebe: Katharina und Georg verbindet auch die Leidenschaft für ihren Hof.
Der Start ist alles andere als rosig. „Die ersten Jahre waren schon hart“, erinnert sich Georg Hirschvogel, der den Hof neben seiner Ausbildung führte, dafür viele Überstunden schob und nachts arbeitete. Es fehlte an allem, vor allem an modernem Gerät. „Drei Holzschuppen und alte Maschinen – mehr war nicht da“, erzählt er.
Zunächst betreibt er konventionelle Landwirtschaft, denn das hat der Stiefvater im Pachtvertrag so gefordert. Für den Bauern vom alten Schlag kommt Bio nicht in Frage.
Der Soja-Anbau wird zum Desaster.
Georg jedoch bringen schon seine ersten Erfahrungen mit dem konventionellen Anbau ins Grübeln. Er baut Soja an, aber der Distelfalter macht ihm einen Strich durch die Rechnung. Er muss gegen den Schädling ein Insektizid spritzen. Weil Regen und die Schule dazwischenkommen, schafft er nicht alle Reihen.
Das Ergebnis und den Anblick hat Georg Hirschvogel nicht vergessen: „Nur die gespritzten Reihen waren gut, die anderen hin.“ Was, fragt er sich, wenn es immer nur mit Gift geht? „Was passiert dadurch mit den Tieren, die im Feld leben? Wenn der Regen das Gift in die Erde wäscht, dann erwischt’s ja auch den Regenwurm. Und was“, sagt er mit einem liebevollen Blick auf seine Frau, „passiert mit uns, auf dem Bulldog?“
Von diesen Gedanken bis zur Entscheidung, auf biologischen Anbau umzustellen, dauert es nicht lang. In vielen Diskussionen klopfen Georg und Katharina auch den Stiefvater weich.
2010, ein Jahr, nachdem sie gepachtet haben, beginnt die Umstellung. Zwei bis drei Jahre dauert so ein Wechsel, dann ist der Biohof Hirschvogel vom Anbauverband Bioland zertifiziert.
„Wir machen immer alles zack-zack“
Und ab 2014 gibt das Paar richtig Gas. Heirat, Bau der Betriebshalle, weg vom Neben-, hin zum Vollerwerbsbetrieb, der Sprung in die Selbstständigkeit. Es geht Schlag auf Schlag. „So sind wir, wir machen immer alles zack-zack“, beschreibt Georg Hirschvogel seine Frau und sich.
Wieder setzt Georg Hirschvogel auf ein Nischenprodukt. „Wir hatten 18 Hektar Land und mussten damit etwas verdienen“, nennt er als einen der Gründe. Er spricht mit Unser Land und baut Zuckermais an. Bei der Zusammenarbeit mit dem Regionalvermarkter ist es bis heute geblieben. Nur die Anbaufläche hat sich auf stolze 70 Hektar erweitert.
Mit modernen Maschinen werden die Kartoffeln geerntet.
Bei der Kartoffelernte helfen Saisonkräfte und die Verwandtschaft.
Die Kartoffeln werden nach der Ernte in ein dunkles „Versteck“ befördert, damit sie nicht grün werden.
Die Kooperation mit Unser Land hat für die Hirschvogels zum einen den Vorteil, dass sie einen sicheren Abnehmer haben, zum anderen „kümmern sie sich um die Logistik, die Verpackung, die Werbung und all das, womit uns viel Arbeit erspart wird“, sagt Katharina Hirschvogel. „Und eine Gesellschaft wie Unser Land verhandelt leichter mit großen Lebensmittelkonzernen als ein einzelner Bauer“, ergänzt ihr Mann.
Trotzdem sind Katharina und Georg Hirschvogel auch selbst immer rührig, um neue Abnehmer zu finden. Gerade bahnt sich ein Geschäft mit einem Senfhersteller an. Die jungen Bauern werden ihn im nächsten Jahr mit Öl beliefern und deshalb Sonnenblumen anbauen.
Ein sinnvoller Kreislauf ist den beiden sehr wichtig.
Die Sonnenblumen werden gedroschen, gepresst, das Öl wird verkauft, der Dreschkuchen ist Futter für die Hühner, der Hühnerdung wieder Dünger für die Felder. So ergibt sich ein sinnvoller Kreislauf, auf den die Hirschvogels allergrößten Wert legen.
Deshalb wollten sie auf ihrem Hof auch unbedingt Tiere. Dass es Hühner wurden, war das Ergebnis eines einfachen und sehr subjektiven Ausschlussverfahrens: „Ich wollte keine Kühe und meine Frau wollte keine Schweine“, erklärt Georg Hirschvogel und lacht.
Die 3000 Hühner, die die jungen Bauern halten, legen pro Tag etwa 2700 Eier.
Georg Hirschvogel wäre aber nicht Georg Hirschvogel, wenn nicht auch hinter der Hühnerwahl Kalkül stecken würde. Ihm ging und geht es ums „Optimieren“ – da ist der Bauer ganz Unternehmer. Dabei hat Georg Hirschvogel neben den wirtschaftlichen Aspekten auch praktische Dinge im Auge. „Kühe müssen gemolken werden, da ist man zeitlich extrem abhängig“, sagt er.
Die Hühner sind pflegeleichter, weil man hier viel automatisieren kann. „Trotzdem schauen wir mindestens zweimal täglich im Stall nach, ob alles läuft und es den Hühnern gut geht“, fügt Katharina hinzu.
Zwei Tage Urlaub im Jahr reichen.
Das kann aber auch jemand aus der Familie übernehmen. Und so springt für die Hirschvogels wenigstens einmal im Jahr ein Kurzurlaub heraus. Drei Nächte sind Maximum. Nicht wegen der Hühner, sondern wegen Georg Hirschvogel.
„Länger als zwei Tage halte ich es nicht aus, weg zu sein“, gibt er zu. Von seiner Frau kommt kein Protest. Am wohlsten fühlen sich die beiden auf ihrem Hof. Das hört, sieht und spürt man. Und hier passen die jungen Bauern jetzt endlich in ein Klischee – von glücklichen Bauern.
Kontakt
Biohof Hirschvogel • Feldenstraße 8 • 82216 Maisach • www.bio-hirschvogel.de
Text: Rosina Wälischmiller • Fotos: Bethel Fath
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