Gmundner Keramik Manufaktur

„Ein echtes Stück Österreich“

Ein gedeckter Kaffeetisch mit Geschirr von Gmundner Keramik und der Tasse mit Skifahrer Toni
Toni, der Skifahrer, ist nur eines der markanten Designs von Gmundner Keramik. Die Marke ist ein Klassiker der österreichischen Tischkultur geworden. Besuch in der Manufaktur aus dem Salzkammergut, die sich gerade ganz traditionell für die Zukunft rüstet.

 

Der Stadl ist voller Heu bis unters Dach. Zwanzig Kühe stoßen Nebelschwaden in die Luft, wenn sie muhen. Der Schnee liegt wie eine Decke über der schlafenden Natur. Auch wenn sich die Bergbauernfamilie Knapp nie wirklich erholen kann, kommt sie jetzt doch langsam zur Ruhe.

Weihnachtszeit auf dem Stolz-Hof im obersteirischen Rinegg, das heißt, dass vor der kleinen Kapelle eine erleuchtete Fichte den Weg zum Hof weist, Vater Klement Häuser und den Stall räuchert und dass zum Kaffee am Weihnachtstag alle kommen, die Kinder mit ihren Familien, die Brüder und Schwestern, die Oma. Es ist einer dieser Tage, an denen Friederike Knapp das Grüngeflammte aus der Vitrine holt.

Das Grüngeflammte ist ein Klassiker der österreichischen Tischkultur.

Was das Grüngeflammte ist, weiß in Österreich fast jedes Kind. Es ist das berühmteste Geschirr von Gmundner Keramik mit seinen kräftigen grünen Linien und Kringeln. Neun von zehn Österreichern kennen Gmundner, in jedem zweiten österreichischen Haushalt findet sich eines der markanten Services. Hier gehört das Grüngeflammte auf den Tisch wie Wiener Schnitzel und Salzburger Nockerl.

Ein Tisch, gedeckt mit grüngeflammten Geschirr von Gmundner

Seit fast 50 Jahren ein Klassiker: das grüngeflammte Geschirr von Gmundner.

 
„Gmundner Keramik steht für das typisch österreichische Lebensgefühl: Gastlichkeit, Naturverbundenheit, Tradition. Es ist ein echtes Stück Österreich“, sagt Christina Nagl, und der Stolz in ihrer Stimme ist nur schwer zu überhören. Die 31-Jährige ist erst seit Juli Marketingleiterin des Traditionsunternehmens, und genau wegen dieses Lebensgefühls ist sie hierher ins Salzkammergut gekommen.

Wie es sich für österreichische Skifahrer gehört, ist auch Toni erfolgreich gestartet.

Da trifft es sich gut, dass wir unseren Besuch bei „Toni, dem Skifahrer“ beginnen. Der ziert auch erst seit Sommer als jüngstes Mitglied der Gmundner-Familie in Grün, Grau und Rot Häferl und Tassen, allerdings in limitierter Auflage. Wie auch die Serie „Rosa Hirsch“ ist „Toni, der Skifahrer“ als Weihnachtsaktion 2o14 nur bis Februar nächsten Jahres erhältlich.

Vorerst, denn wie es sich für österreichische Skifahrer gehört, ist auch Toni überaus erfolgreich gestartet, was sicherlich auch daran liegt, dass das österreichische Lebensgefühl selten deutlicher und selbstbewusster in Szene gesetzt wurde. Und so sagt Geschäftsführer Jakob von Wolff heute schon: „Den erfolgreichen Toni wird es auch 2o15 wieder geben.“

Damit reiht sich der Toni ein in so berühmte Serien wie den Hirsch oder die Streublumen, die aufwändige Jagd-Kollektion oder das Geschirr mit dem dezenten grauen Rand, das erst in diesem Jahr auf den Markt gekommen ist.

Und natürlich das Geflammte, das so typisch ist für die Marke Gmundner und das es nicht nur in Grün, Rot, Blau, Gelb und Grau gibt, sondern mittlerweile auch bunt als „Traunsee“ oder „Landlust“, weil Tradition ja nur dann Bestand hat, wenn sie sich auch weiterentwickelt.

Jedes Stück wird liebevoll in Handarbeit hergestellt.

5000 Einzelteile entstehen so Tag für Tag, und alle eint dieses: Sie werden hier im Unternehmen produziert, was ein Wert an sich ist, denn inzwischen kommt ein Großteil der Gebrauchskeramik billig aus Fernost. Und sie werden liebevoll hergestellt: Jedes Stück geht durch sechzig Hände, und am Ende gleicht keines dem anderen.

Ein Mann gießt Schlicker in die Gipsformen
Wenn der Schlicker in der Gipsform die nötige Scherbenstärke erreicht hat, wird die Masse ausgegossen.

In der Retusche werden die Gefäße vorsichtig gesäubert
In der Retusche werden die Gefäße geschwammt und entgratet. Die Schalen bekommen gleich noch kleine Henkel.

Fertig bemalte Tassen und Teller stehen im Regal
Jedes Stück wird zweimal gebrannt: vor dem Glasieren 15 Stunden bei 1020 Grad und nach dem Bemalen noch einmal so lang bei 1070 Grad.

Die Produktion beginnt in der Gießerei. Die Scherben, die die Form jedes Gefäßes ergeben, entstehen aus einer speziellen Gmundner Masse, die unter anderem mit Feldspat und Quarz aus dem Westerwald und mit Wasser gemischt wird. Der sogenannte Schlicker bleibt so lange in den Formen, bis er am Rand erhärtet und die vorgegebene Scherbenstärke erreicht hat. Das dauert bei einer Kaffeekanne rund eine Stunde. Dann wird der Schlicker ausgegossen, der Scherben entnommen und über Nacht getrocknet.

Häferl, Krüge und Kaffeekannen kommen nach dem Trocknen in die Retusche.

Am nächsten Tag kommen Häferl, Krüge und Kannen in die Retusche zu Rosemarie Hofmann oder Maria Amering. Ebenso schnell wie vorsichtig säubern sie die Gefäße, entgraten sie, wo die beiden Formenhälften zusammengefügt waren, schleifen, bürsten, bringen mit Tupfern von Schlicker Henkel an, ganz exakt geht das, sie schwammen die neue Nahtstelle sauber und nehmen sich dann den nächsten Scherben vor. Und den nächsten. 1ooo am Tag. Wie lange sind Sie denn schon hier? Maria Amering lächelt. „35 Jahre“, sagt sie.

Vor dem Eingang zur Gmundner Keramik Manufaktur steht eine rießige Kaffeetasse mit dem typischen grüngeflammten Design

Die Gmundner Manufaktur im Herzen der „Keramikstadt“. Es ist nicht zu übersehen, wo man hier gelandet ist.

Da ist sie nicht allein. Rund 120 Menschen arbeiten bei Gmundner, im Herzen einer Gemeinde, die sich ganz offiziell „Keramikstadt“ nennt. Viele sind bereits ein halbes Leben hier, und sie sind Teil geworden von einem Stück, man darf das so sagen, österreichischer Geschichte.

Eine Geschichte ist das voller Höhen und Tiefen, und sie reicht zurück bis in die Zeit, als am anderen Ende der Welt Christoph Kolumbus Amerika entdeckte. Tatsächlich wird im Jahr 1492 das „Hafnerhaus am Graben“ erstmals urkundlich erwähnt, aus dem später die Gmundner Keramik Manufaktur hervorgehen sollte. Gmunden entwickelt sich zu einem Zentrum nicht nur für Hafner, die Ofenbauer, sondern vor allem auch für Zierkeramik.

Seit fast 50 Jahren ein Klassiker: das grüngeflammte Geschirr von Gmundner Keramik.

Die Idylle des Salzkammerguts zieht Künstler und Kunsthandwerker an, die rund um den Traunsee alles vorfinden, was sie brauchen: Ton, Wasser, Kieselsteine – und nicht zuletzt wohlhabende Abnehmer für ihre Kunst.

Im 17. Jahrhundert bereits gilt Gmunden als Hochburg der Zier- und Feinkeramik, es ist die Zeit, in der das legendäre grüngeflammte Design entsteht. Leopold Schleiß, dessen Vater 1843 das Hafnerhaus am Graben erworben hat, gründet im Jahr 1903 die „Gmundner Thonwarenfabrik“. Sie gilt als Keimzelle des heutigen Unternehmens, das sich 1968 auf die Fertigung von Tischgeschirr verlagert.

So beginnt das Grüngeflammte seinen Siegeszug in die österreichischen Haushalte und über die Grenzen hinaus. Ein Viertel der Gmundner-Produktion geht ins Ausland, hauptsächlich nach Deutschland, wo sie vor allem den Hirsch zu schätzen gelernt haben, der mit dem Grüngeflammten und den lieblichen Streublumen seit fast fünfzig Jahren als Klassiker österreichischer Tischkultur gilt.

Das Grüngeflammte, der Hirsch, die Streublumen – wir kommen in die Welt von Gabriele Fröhlich, die die Malerei leitet und mit ihren 4o Mitarbeiterinnen den einzelnen Stücken Leben verleiht.

Zu ihnen kommen die Teller, Schüsseln und Krüge erst nach der Glasur, und auch das ist eine Gmundner Besonderheit. Denn die Glasur, die zu großen Teilen aus gemahlenem Glas, aber auch aus Farbelementen besteht, sorgt für ein strahlendes Weiß, das die Dekore später viel frischer aussehen lässt und nach dem Brennen zum typischen Gmundner Erscheinungsbild verschmilzt.

Die Keramikmalerinnen schaffen 600 Teile am Tag.

Früher wurde das geflammte Dekor noch mit einem sogenannten Malhörnchen aufgetragen, eine jahrhundertealte Technik. Dazu wurde das Horn einer Kuh an der Spitze gekappt, durch das die Farbe rinnen konnte.

Heute benutzen die Keramikmalerinnen dünne Schläuche, und es ist ein faszinierendes Schauspiel, Karin Scherndl dabei zu beobachten, wie sie Buntgeflammtes erzeugt. In unglaublicher Geschwindigkeit und Präzision spritzt sie gelbe, blaue und grüne Streifen auf eine kleine Schüssel, immer in den gefühlt richtigen Abständen. Nach wenigen Sekunden ist sie fertig und holt sich die nächste Schale. Karin Scherndl gelingt es sogar, währenddessen zu sprechen. 6oo Teile schafft sie am Tag.

Stempel für die Hirsch-Dekore
Mit Stempeln werden die Umrisse der Dekore auf die Formen gedrückt. Dann beginnt das Ausmalen.

Die gestempelte Form wird ausgemalt
Eine ruhige Hand braucht man zum Ausmalen der gestempelten Formen. Aus der hellgrauen Farbe wird nach dem Brand übrigens das typische Gmundner Grün.

Ein Farbkasten mit den unterschiedlichen typischen Gmundner Farben
Die Farben für die Dekore werden nach geheimen Gmundner Rezepturen hergestellt.

In die Malerei kommt nur, wer eine zweijährige Berufsausbildung absolviert und Stunden über Stunden an Bruchstücken geübt hat. „Auf zeichnerisches Talent, Vorstellungsvermögen und viel, viel Übung kommt es an“, zählt Fröhlich die Anforderungen an ihre Malerinnen auf – und an Manfred Spiessberger, den einzigen Mann, der hinten am Fenster Toni, den Skifahrer, in einen grauen Anzug steckt. Zunächst drückt er mit einem Stempel die Grundform auf eine Tasse und malt diese dann in den vorgegebenen Farben aus.

Aufwändiger dagegen ist das Design Jagd, es erfordert eine ruhige Hand und eine lebendige Kreativität. Gitter und Farben am Rand eines Tellers werden frei gezeichnet, die gestempelte Form einer Jagdszene in der Tellermitte individuell mit wechselnden Farben ausgemalt.

Handarbeit ist nie perfekt und gerade das ist das Besondere.

Mit der Zeit entdeckt Gabriele Fröhlich bei jeder einzelnen Malerin besondere Vorlieben und Fertigkeiten: Wer sich geduldig in die Gestaltung der Jagd-Serie versenken kann, ist nicht unbedingt ideal geeignet für die Hochgeschwindigkeitsaufgabe beim geflammten Design.

Eines aber betont die Leiterin der Malerei: „Was wir hier machen, ist kreativ und keine industrielle Produktion. Jedes Stück ist Handarbeit. Das heißt, es ist nicht perfekt. Aber das macht ja das Besondere aus, sonst könnte man die Dekore ja auch gleich aufdrucken.“ Und welches ist ihr Lieblingsgeschirr? Gabriele Fröhlich antwortet diplomatisch: „Ich mag viele, ich habe auch viele zuhause. Das Grüngeflammte zum Beispiel oder die Streublumen, ich mag aber auch die Heckenrose und die rosa Tupfen.“

Nach dem Brennen gibt es eine abschließende Qualitätskontrolle

Qualitätskontrolle am Ende der Fertigung. Die 2. Wahl wird im Firmenshop verkauft.

Die Heckenrose und das Tupferl Rosa gibt es nicht mehr. In den letzten zwei Jahren hat sich Gmundner Keramik von etlichen Serien verabschiedet und besinnt sich wieder auf klassische Werte und Designs.

Das ist bis heute eine nötige Aufgabe unter dem neuen Geschäftsführer Jakob von Wolff, denn in den Jahren vor 2o12 hatte das Unternehmen seinen Kompass und auch viel Vertrauen im Markt verloren. Es ist eigentlich erstaunlich, dass Gmundner sich erfolgreich in Jahrzehnten behauptete, in denen Fortschrittsglaube und internationales Flair zahlreiche heimische Produkte zunehmend in Schwierigkeiten gebracht hatten, um dann ausgerechnet in einer Zeit ins Schlingern zu geraten, in der traditionelle Werte und die Besinnung auf die eigene Herkunft eine Renaissance erleben.

Die Gmundner Keramik Manufaktur rüstet sich ganz traditionell für die Zukunft.

Doch in Gmunden herrscht seit zwei Jahren wieder Aufbruchstimmung. Neue klassische Designs wie das Graugeflammte und ein zeitgemäßer Markenauftritt prägen nun das Erscheinungsbild. Mit einem edel gestalteten Laden am Unternehmenssitz, einem Onlineshop und dem ersten eigenen Store in der Salzburger Getreidegasse rückt Gmundner Keramik näher an seine Kunden heran, die sich gerade jetzt wieder für traditionell hergestellte österreichische Produkte begeistern.

Die werden nun nach dem Bemalen für den zweiten Brand vorbereitet. Geduldig setzen zwei Mitarbeiter Stück für Stück auf eine Palette, zehn Paletten passen in einen der drei garagengroßen Öfen. Dort werden die Produkte rund 15 Stunden bei 1070 Grad gebrannt und durchlaufen eine abschließende Qualitätskontrolle, wo die 2. Wahl für den Verkauf im Firmenshop aussortiert wird. Keine leichte Aufgabe, wenn gerade das nicht Perfekte das Markenzeichen ist.

Was Christina Nagl an Gmundner angezogen hat, das gilt auch für viele ihrer Kunden. „Ein Produkt von zuhause, in Handarbeit hergestellt – das schätzen die Menschen jetzt wieder neu“, sagt sie. So schafft Gmundner Keramik, was ein anderes Geschirr nicht vermag: Identität und dabei auch das Gefühl des Einzigartigen. Ein echtes Stück Österreich eben.

Kontakt
Gmundner Keramik Manufaktur   •   Keramikstraße 24
4810 Gmunden (Österreich)   •   Telefon +43 (0)7612 786-0
www.gmundner.at

Führungen ab 5 Personen und Mal-Workshops: manufaktur@gmundner.at

Text: André Lorenz • Fotos: Tom Lamm

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