Ein Bier so prickelnd wie Champagner
So wollen drei Weihenstephaner Studenten die Brauszene aufmischen
Schon seit dem Morgen rüttelt und dreht Donatus Duran Perez an den kopfüber gelagerten Flaschen des neuen Jahrgangs. An die hundert Mal werden er und seine Kollegen jede Flasche angefasst haben, bis es nach einem Dreivierteljahr so weit ist.
Mitten in Freising: Ein wenig den Berg hinauf, eine unscheinbare Tür, dahinter ein langer, dunkler Kellergang. Was eher unscheinbar daher kommt, birgt einen wahren Schatz: 2500 Flaschen „Cerevisium“ lagern hier.
Am Anfang steht traditionell gebrautes Bier.
Der Clou kommt erst im nächsten Schritt
Ein paar wenige sind noch von der ersten Abfüllung aus dem Jahr 2015, der „Nummer 0“ übrig. Momentan arbeiten die Bierbrauer am Jahrgang „Nummer 3“. Dieses Bier braucht mehr Zeit und mehr Zuwendung als andere Biere – denn es ist ein ganz besonderes. Dabei beginnt alles recht normal.
Zuerst wird im Sudhaus mit untergäriger Hefe ein starkes, relativ säurehaltiges Bier gebraut, ganz traditionell, nach dem Reinheitsgebot von 1516. „Wir wollen ja nicht mit allem Dagewesenem brechen, sondern aus Traditionellem Neues machen“, erklärt Donatus Duran Perez. Das zeigt auch der ehrwürdige Freisinger Bär im Logo.
Jeden Tag müssen die Bierflaschen gerüttelt und gedreht werden wie Champagner, damit sich die Hefe absetzen kann.
Aber dann kommt der Clou: Wenn das Bier mit 10,3 Prozent Alkohol gebraut ist, wird es mit Sekthefe aus der Champagne angesetzt. So beginnt ein etwa neunmonatiger Gärprozess. Um die Hefe danach wieder zu entfernen, wird die „Méthode traditionnelle“ nachempfunden, mit der auch Champagner hergestellt wird: Jede Flasche wird kopfüber in eines der sogenannten Rüttelpulte gestellt. Tägliches Drehen und Rütteln lässt die Hefe in den Flaschenhals sinken. Danach wird noch „degorgiert“: Durch Einfrieren des Halses und Öffnen der Flasche schießt der Hefepfropfen wegen des Innendrucks heraus.
Der Onkel ist Winzer und ermutigte ihn zum Experimentieren.
Am Ende kam das Champagnerbier heraus
Bis dahin sind lange neun Monate vergangen. Jetzt erst können die Flaschen mit einem Naturkorken verschlossen werden. Auch das geschieht per Hand, genau so wie das Etikettieren und Verpacken.
„In dieser langen Zeit hat man das Gefühl, mit jeder einzelnen Flasche befreundet zu sein“, schmunzelt Perez. Der gebürtige Heilbronner mit bolivianischen Wurzeln braute schon mit 19 Jahren hobbymäßig sein erstes Bier. Der Onkel, leidenschaftlicher Winzer, inspirierte ihn dann zum Experimentieren und Andersdenken.
Diese drei brauen das Champagnerbier: Donatus Duran Perez, Stefan Hör und Daniel Martin (von links) kennen sich aus dem Studium.
Nach jahrelangem Herumprobieren kam der heute 27-jährige Perez zu seiner gewagten Kombination – und fand schnell Mitstreiter dafür: zwei seiner Kommillitonen der Brautechnologie an der Technischen Universität München-Weihenstephan.
Die Qualität hat ihren Preis. Dafür hat jede einzelne Flasche
quasi täglich ihre persönliche Zuwendung erfahren
Der Diplom-Braumeister Daniel Martin und sein Kollege Stefan Hör, Bachelor of Science Brauwesen, sind von Anfang an beim Projekt „Cerevisium“ mit dabei. Auch sonst ist das alte Studentennetzwerk Gold wert: Jedes Jahr, wenn wieder neue „Cerevisium“ -Flaschen für die lange Einlagerung ankommen, finden sich immer Helfer, die mit anpacken: Eine lange Menschenkette befördert dann behutsam jede Flasche von der Straße hinein in die Tiefen des Freisinger Bierkellers.
Für ein „Cerevisium“ gelte dabei nicht generell „je länger gelagert, desto besser“, erklärt Perez. „Bier ist eben ein lebendiges Getränk, das sich mit der Zeit verändert“. Deshalb sei auch das Champagnerbier am leckersten, wenn man ihn innerhalb eines Jahres konsumiere.
Die Hingabe zu ihrer Erfindung bringt den diplomierten Braumeistern erste Erfolge. Von der „Nummer 2“, dem Jahrgang 2017, haben sie bereits 1000 Flaschen verkauft, zu einem stolzen Preis: Eine Flasche kostet im Einzelhandel um die 55 Euro, im Restaurant gibt’s ein Glas um die 15 Euro. Übrigens werde fast die Hälfte der Flaschen von Frauen gekauft, sagen die Brauer.
In diesem Kellergewölbe unter Freising reift das Bier zum „Cerevisium“ – neun Monate braucht es.
„Besonders in der Gastronomie und bei besonderen Feierlichkeiten sehen wir eine Riesenchance“, so Perez. Bei einem feinen Essen oder im Hotelurlaub schätzten die Menschen noch die Genussmomente, um die sich die Braumeister mit ihrem „Cerevisium“ bemühen. Am besten, empfehlen die drei Hersteller, entfalte das Getränk seine besondere Note in einem dünnwandigen, sich nach oben verjüngenden Glas.
„Normalerweise mag ich kein Bier. Aber ein Bier, das so prickelnd daher kommt, das schmeckt mir.“ Über solche Kommentare freut sich Donatus Perez am meisten. Dann malt er sich aus, wie bald allerorten die Leute zur Einstimmung vor einem guten Essen an seinem „Cerevisium“ nippen und sich fragen: Ist das ein Bier? Oder ein Sekt?
Text: Barbara Denk
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