Gin

Er ist wieder da

Eine ungekannte Vielfalt: Kleine Brennereien aus der Region entdecken den Gin neu
Schon möglich, dass Gin zuletzt ein eher langweiliges Image hatte. Doch nun beweisen junge, einfallsreiche Destillerien, wie vielfältig und aufregend der Wacholderschnaps sein kann.

 

Klar, so völlig weg war er nie: Gin-Cocktails wie Gin Fizz, Dry Martini, Gimlet oder Negroni sind aus keiner guten Bar wegzudenken. Nur war er jahrzehntelang als Langweiler-Schnaps verachtet. Spätetens seit der Einführung des Moscow Mule war Wodka angesagt.

Seit ein paar Jahren erobert Gin wieder Deutschlands Bars und Wohnzimmer zurück. Nicht zuletzt, weil ihn kleine, findige Produzenten wiedererweckt haben.

Durch verschiedene Kräuterzugaben (die „Botanicals“) ist er bei weitem vielfältiger, als es Wodka je sein kann. Je nachdem, mit welchem Tonic (also chininhaltiger Limonade) man den Wacholderschnaps mixt, sind die Kombinationen eines einfachen Gin Tonic schier unendlich. Weitere Geschmacksvielfalt liefern eine Scheibe Orange, Zitrone, Apfel oder Gurke im Glas, auch ein Rosmarin- oder Salbeizweig.  

Heute gibt es jede Menge erstklassige Sorten, 
und jede hat einen besonderen Charakter

Alexander Schwarz hat den Trend früh erkannt: Schon 2012 eröffnete er den „Couch Club“, eine Gin-Bar in der Münchner Klenzestrasse. Heute gibt es bei ihm 170 verschiedene Sorten Gin. 95 Prozent seiner Gäste bestellen ihn mit Tonic, „... viele wissen genau, welchen Gin sie haben wollen und welches Tonic Water dazu“, berichtet er. „Die Leute trinken nicht mehr irgendwas, sondern bestellen bewusster.“  

Tatsächlich ist die Wertigkeit der Wacholderspirituose höher geworden. „Die neuen Gin-Sorten haben einfach eine andere Qualität als früher“, sagt auch Matthias Knorr, seit 15 Jahren Inhaber der Barschule München. Heute gibt es jede Menge erstklassiger Sorten und jede davon besitzt ihre Eigenheit.

„Es ist wie beim Panini-Bildchen-Sammeln: Die Leute hat eine große Sammellust gepackt.“ Zum Sammeln gibt es viel. Gab es früher in Bars und Läden nur die üblichen Verdächtigen Gordon’s und Tanqueray, sind heute weit über 200 Ginsorten in Deutschland erhältlich.  

London Gin: Pflanzenauszüge, Wasser – und sonst nichts

London dry Gin ist der mit den strengsten Regeln. Er darf nichts außer pflanzlichen Stoffen und Wasser enthalten. Der Mindestalkoholgehalt beträgt 37,5%. Der Zusatz London dry Gin bedeutet, dass kein Zucker zugesetzt wurde.

Dry Gin darf einige Zusatzstoffe enthalten, die im London Gin nicht zugelassen sind

Beim Dry Gin dürfen Farb- und Aromastoffe verwendet werden, außerdem können die verschiedenen Botanicals zu jedem Zeitpunkt zugegeben werden, nicht nur vor der Destillation. Wie beim London Dry Gin ist Zucker verboten, und beide werden mindestens doppelt destilliert.

G'Vine ein Crossover-Gin, destilliert aus Wein

G’Vine ist derzeit der einzige auf Weingeist basierende Gin: Er wird durch die Destillation von Wein gewonnen. Durch seinen weinartigen Geschmack unterscheidet er sich deutlich von anderen Sorten.

Zwar ist Gin prinzipiell nicht schwer herzustellen: Grundlage ist Alkohol aus Getreide, der typische Geschmack entsteht durch die Zugabe von Wacholderbeeren. Doch dann trennt sich die Spreu vom Weizen: „Gin zu brennen ist leicht, doch guten Gin zu brennen, ist richtig schwer“, sagt Knorr. Der Gin-Hype werde sich noch eine Weile halten, aber es werden nur die schaffen, die Qualität liefern, ist sich Knorr sicher.

Ingwer, Zitronengras, Muskat, Koriander, Orangenschalen – bei der Herstellung können 120 verschiedene Zutaten zum Einsatz kommen. Und da ist die wahre Kunst des Destillateurs gefragt.

Die Leute wollen keine Gins von Konzernen aus Übersee mehr –
sie bevorzugen kleine Destillerien aus der Region

Doch wie erkennt man guten Gin? „Der typische Gin-Geschmack, also der Wacholder, sollte noch erkennbar sein“, sagt Knorr. Die Kunst sei es, nicht zu exotisch zu werden, „die Herbals sollen den Gin-Geschmack eher unterstreichen als abtöten.“ Knorr muss es wissen: Der Barmeister IHK mit Auszeichnung ist mehrfacher deutscher Meister im Flair-Bartending sowie „Mixology Bar Award“-Gewinner.

Er empfiehlt, auf klassische, trockene Tonics (Dry Tonic) zurückzugreifen. Je wärmer man seinen Gin Tonic trinkt, umso mehr schmeckt man seinen puren Geschmack. Wer also ganz „echt“ trinken will, stellt Gin und Tonic Water nur kühl und genießt den Drink ohne Eiswürfel.

Aufregend kann beispielsweise auch ein Gin Tonic mit einem Schuss Sirup aus Basilikumblüten sein. Ein weiterer Trend ist, abseits vom Tonic andere sogenannte „Fillings“ hinzuzugeben: Der „Gin Mule“ etwa besteht aus Ginger Ale, Lemon Juice und Gin.

Mit Spannung beobachtet Knorr auch die vielen regionalen Sorten, die auf den Markt kommen. Eine raffinierte Zutat wie Hopfen, Angelikawurzel oder Kastanien – und der jeweilige Gin bekommt seine besondere regionale Färbung. Alexander Schwarz vom „Couch Club“ bestätigt: „Die Leute wollen keine Gins aus Übersee von Riesenkonzernen mehr. Sie wollen handwerklich hergestellte Produkte aus kleinen Destillerien – am Besten aus der Region.“ Allein in München und Umland gibt es fast zwei Hände neuer Gin-Sorten. Drei davon stellen wir hier vor:

3 x Gin aus Bayern

 

Pure Whobertus 
von Hubertus Halmburger, Daniel Decker, Florian Müller (München)

Whobertus Gin aus München

Warum habt ihr euch entschieden, Gin zu machen?
Wir wollten einen erfrischenden, milden Gin machen, der zur bayerischen Bergwelt passt.
Und seit wann gibt es euren Gin?
Seit 2016.
Was hebt euren Gin von anderen ab?
In einer Bergbrennhütte im Berchtesgadener Land brennen wir nach dem ältesten Wacholderbrennrecht Bayerns – von 1692.
Gibt es eine lokale Spezialität in eurem Gin?
Die Agneswurzel und andere Kräuter aus dem Berchtesgadener Land.
Was macht einen guten Gin überhaupt aus?
Wenig Alkoholgeschmack und im Abgang mild.
Welche Botanicals stechen bei eurem Gin hervor?
Zitrone, Angelika- und Iriswurzel, Zimtrinde, Mandel.
Mit welchem Tonic sollte man euren Gin mischen?
Mit einem Premium Tonic, möglichst dry/zuckerfrei, dann bleiben unsere Aromen im Vordergrund.
Und welche Deko gehört ins Glas?
Zitronenzeste, wer einen bayerischen Touch möchte, auch noch Radieschenzeste.

Hier gibt’s Whobertus Dry Gin


The Illusionist
von Max Muggenthaler und Tim Steglich (München)

The Illusionist Gin aus München

Warum habt ihr euch entschieden, Gin zu machen?
Anders als beim Whiskey ist keine Lagerzeit nötig und man kann sofort mit dem Produkt auf den Markt. Außerdem bietet Gin viele Möglichkeiten, eine eigene Note einzubringen.
Und seit wann gibt es euren Gin?
Seit 2016.
Was hebt euren Gin von anderen ab?
Seine blaue Farbe aus der Blüte der Schmetterlingserbse hat einen schönen Nebeneffekt: Mit Eiswürfel wird er türkis, mit Tonic pink. Wir brennen noch selbst: im Münchner Glockenbachviertel.
Gibt es eine lokale Spezialität in Euren Gin?
Die Angelikawurzel.
Was macht einen guten Gin überhaupt aus?
Ein hoher Alkoholgehalt – bei uns 45% – macht ihn wertiger; man muss ihn pur trinken können.
Welche Botanicals stechen bei eurem Gin hervor?
Lavendel, Koriander, Kardamom, Orange, Zitrone, Zitronengras.
Mit welchem Tonic sollte man euren Gin mischen?
Mit einem trockenen, nicht zu zuckrigen Tonic.
Und welche Deko gehört ins Glas?
Ein Rosmarinzweig.

Hier gibt’s The Illusionist Dry Gin


Stocker’s Tschin und Clitoria Gin
von Christian Stocker (Tattenhausen)

Clitoria Gin aus Tattenhausen

Warum hast du dich entschieden, Gin zu machen?
Es macht Spaß, ein wenig mit Rezepturen spielen zu können – das gilt besonders beim Gin.
Und seit wann gibt es deinen Gin?
Seit 2016 bzw. 2017.
Was hebt deinen Gin von anderen ab?
Der Tschin ist auch zum pur-Trinken gedacht. Clitoria (der Name kommt von der Blüte der Schmetterlingserbse Clitoria Ternatea) fällt durch die blaue Farbe der Schmetterlingsblüte auf.
Was macht einen guten Gin überhaupt aus?
Eine harmonische Rezeptur mit eigenem Charakter: Der Wacholder sollte erkennbar sein und von den anderen Aromen umrahmt werden.
Welche Botanicals stechen bei deinem Gin hervor?
Lemongras, Zimt, Koriander, Schlehe.
Mit welchem Tonic sollte man Deinen Gin mischen?
Mit einem Tonic ohne zu viel Eigengeschmack, zum Beispiel Schweppes Extra Dry.
Und welche Deko gehört ins Glas?
Paprika, Basilikum, rosa Pfeffer, Koriander.

Hier gibt’s Clitoria Dry Gin