Wetterfühligkeit bei Föhn

Macht Föhn wirklich Kopfschmerzen?

Alpenföhn Wetterfühligkeit: Wolken über Bergen
Um den Frühlingsbeginn klagen die Leut vermehrt über Kopfschmerzen – schuld soll der Föhn sein. Gibt es diesen Zusammenhang wirklich? Und was hilft? Wir haben eine Wildkräuterfee sowie einen Mediziner befragt. Und ein ORF-Wetterexperte erklärt, wo der Föhn überhaupt herkommt.

Der Meteo­ro­loge

Porträt Marcus Wadsak
Marcus Wadsak ist studierter eteorologe und in Österreich als Wetterfrosch bekannt. Beim ORF leitet er die TV-Wetter-Redaktion und moderiert regelmäßig das „ZiB“-Wetter.

Die Kräuterfee

Porträt ChrisTine Pommerer
ChrisTine Pommerer betreibt das Kräuterzentrum Wasenhof im schwäbischen Großerlach. Dort bildet sie Heilkräuterpädagogen aus. Schon seit ihrer Kindheit beschäftigt sich die Wildkräuterfee mit der Wirkung von Wildkräutern und Heilpflanzen.

 

Der Mediziner

Porträt Professor Jürgen Kleinschmidt
Professor Jürgen Kleinschmidt ist Mediziner, Humanbiologe und Diplom-Physiker. Als Akademischer Direktor des Instituts für Gesund­heits- und Rehabili­tations­wissen­schaften an der LMU München forschte er im Bereich Medizi­nische Balneologie und Klimatologie.

Föhn: Satellitenbild Erde

„Im Sommer bleibt der Föhn meist unbemerkt“

Marcus Wadsak

Marcus Wadsak
Meteorologe beim ORF

Was ist Föhn und wie entsteht er?
Föhn ist ein trockener Fallwind. Man braucht dafür ein Gebirge, über das er drüberströmt. Die Seite, auf der der Wind wieder runterkommt, das ist die Föhnseite. Der klassische Föhn in den Alpen ist der Südföhn.

Wie entsteht Föhn?
Beim Südföhn zieht warme und feuchte Luft vom Mittelmeer Richtung Norden und prallt an der Anströmungsseite gegen die Alpen wie gegen eine Mauer. Die Luft wird hochgehoben und dabei fällt Niederschlag. Das Ausregnen setzt Wärme frei und diese Wärme wird in der Luft gespeichert. Die warme Luft zieht dann über den Berg und sinkt an der Nordseite wieder ab. Durch das Absinken erwärmt sich die Luft weiter und kommt nördlich der Alpen mit höheren Temperaturen und extrem trocken an. Das sorgt dann für viel Sonnenschein und die klare Sicht, für die der Föhn auch bekannt ist.

Wann tritt Föhn am häufigsten auf?
Bei starkem Südwind tritt Föhn großflächig auf – und auch das ganze Jahr. Wann die meisten Föhntage sind, ist schwer zu erahnen. Jetzt im Winter und Frühjahr spüren wir ihn nur besonders, weil es durch die warme Föhnluft zu extremen Unterschieden im Vergleich zu den üblichen Temperaturen im Winter kommt. Im Sommer, wenn es sowieso schon warm ist, bleibt der Föhneffekt meist unbemerkt. Anstatt 25 Grad geht’s dann eben mit Föhn auf 28 Grad. Da gibt es diesen Effekt des großen Kontrasts der Temperaturen nicht.

Wo im Alpenland gibt es besonders häufig Föhn?
Eine besonders föhnintensive Region in den Alpen ist das Tiroler Inntal. Von dort aus reicht der Föhn dann auch Richtung bayrische Alpen. Ebenso gehören generell die Voralpenregionen zu den klassischen Föhngebieten.

Was glauben Sie: Gibt es einen Zusammenhang zwischen Föhn und Kopfweh?
Ich muss sagen, dass ich zu den Menschen gehöre, die noch nie in ihrem Leben an Kopfweh gelitten haben. Trotzdem glaube ich, dass es tatsächlich Menschen gibt, die durch bestimmte Wetterlagen gesundheitlich beeinträchtigt werden. Andererseits habe ich aber auch schon festgestellt, dass es bei vielen schon Kopfweh auslöst, wenn sie im Wetterbericht das Wort Föhn nur hören.


Föhn: Kräutertee

„Manchmal hilft es schon, etwas mehr zu trinken“

ChrisTine Pommerer

ChrisTine Pommerer
Wildkräuterfee

Viele Menschen klagen bei Föhnwetter über Kopfschmerzen. Gibt es da Ihrer Meinung nach einen Zusammenhang?
Ja sicher, ja. Ich bin selbst betroffen. Ich hatte als Kind sehr, sehr viel Kopfschmerzen, sehr viel Migräne und auch sehr viel wetterabhängige Kopfschmerzen. Daher bin ich mir sicher, dass ein Zusammenhang besteht.

Wie macht sich der Kopfschmerz bei Föhn bemerkbar?
Es gibt viele wetterfühlige Menschen, die vor allem unter zwei Arten von Kopfschmerzen leiden.
Wenn das System Niere-Blase betroffen ist, ziehen die Kopfschmerzen vom Genick kommend mittig bis an die Nasenwurzel. Oder in umgekehrter Richtung.

Was empfehlen Sie hier?
Da hilft es manchmal schon, etwas mehr zu trinken. Ich empfehle hier ganz dünne Tees – vor allem unsere heimische Goldrute. Sie ist für mich DIE Nierenblasenpflanze. Nehmen Sie dazu für eine Kanne so viele Kräuter, wie auf drei Finger passen, und lassen Sie sie einfach in der Kanne.
Es eignen sich auch sehr viele andere Kräuter gut. Kleinblütiges Weidenröschen, Brennnessel, Ringelblumen oder viele andere. Die können Sie auch frisch nehmen. Wenn Sie Minze mögen, ist sie auch sehr gut. Hier sollten Sie aber nur ein Blatt auf eine Kanne nehmen und sie auch nicht so lange ziehen lassen.

Sie haben noch von einer zweiten Art Kopfschmerz gesprochen …
… ja, diese Kopfschmerzen kommen seitlich, sie beginnen bei einem Auge oder erstrecken sich über die ganze Seite. Bei Föhn treten sie häufiger auf. Sie hängen in aller Regel mit dem System Leber und Galle zusammen. Sie kennen ja auch die Sprichworte „Ihm ist eine Laus über die Leber gelaufen“ oder „Ihr ist die Galle übergelaufen“ – das heißt, wenn Leber oder Galle betroffen sind, dann geht es immer auch um Sorgen und Ängste, wenn man sich sehr aufregen muss oder wenn einen etwas nervt.

Wie kann man sich bei dieser Art Kopfschmerzen behelfen?
Auch bei diesen seitlichen Kopfschmerzen geht es darum, viel zu trinken und die Kopfschmerzregion zu entkrampfen und zu entspannen. Hier tun Schafgarbe und Gänsefingerkraut und Engelwurz besonders gut, aber auch Lavendel oder Melisse. Nehmen Sie diese Kräuter für dünne Tees und trinken Sie reichlich.
Helfen kann man hier auch gut mit leichten Massagen. Beginnen Sie am Ohr vorne hoch zu streichen und bewegen Sie dann mit leichten Kreisbewegungen nach hinten. Und dann massieren Sie am Hinterhaupt weiter von außen in die Mitte. Oder machen Sie mit dem Zeigefinger einen Haken und streifen Sie so die Stirn frei. Das sind Sachen, die einem oft sehr gut tun bei Kopfschmerzen.

TIPPS GEGEN ERKÄLTUNG: Was hilft wirklich gegen Husten, Schnupfen, Halsweh? Wir haben drei echte Expertinnen gefragt: eine Ärztin, eine Kräuterfee – und eine Oma mit viel Erfahrung. Ob die sich wohl immer einig sind …

 


Föhn: Sauna

„Viele Kopfschmerzen kommen von Durchblutungsstörungen“

Prof. Jürgen Kleinschmidt

Prof. Jürgen Kleinschmidt
Mediziner, Humanbiologe und Diplom-Physiker

Gibt es einen Zusammenhang zwischen Föhn und Kopfschmerzen?
Es gibt einen Zusammenhang zwischen Wetteränderungen und Kopfschmerzen. Und nachdem der Föhn auch einen Teil der Wetteränderungen ausmacht, wäre es verwunderlich, wenn es da nicht auch einen Zusammenhang geben würde. Zumindest statistisch gesehen tritt dieser Zusammenhang vermehrt auf. Das heißt aber nicht, dass es ohne Föhn keine Kopfschmerzen gäbe, sondern nur die Wahrscheinlichkeit dafür ist bei Föhn etwas größer als an anderen Tagen.

Worin besteht dieser Zusammenhang?
Dazu müsste man die Frage beantworten können, was denn Kopfschmerzen überhaupt verursacht. Was man dazu plausibel sagen kann: Viele Kopfschmerzen werden auf Durchblutungsstörungen im Gehirn zurückgeführt und erfolgreich mit durchblutungssteigernden Maßnahmen therapiert. Bei den Menschen, die darauf reagieren, kommt es dann auch bei Föhn eher zu Kopfschmerzen.

Das bedeutet, Föhn verursacht in erster Linie nicht Kopfschmerzen, sondern Durchblutungsstörungen?
Zur Wetterfühligkeit bei Föhn gibt es Erklärungen, die mit unserer ganz normalen Thermoregulation zusammenhängen: Wenn es kalt ist, frieren wir. Aber der Körper kann sich darauf einstellen. Dabei ziehen sich die Hautgefäße zusammen und das Blut wird gleichsam in den Körper gedrückt, damit überlebenswichtige Organe und dabei insbesondere das Gehirn weiterhin ausreichend durchblutet werden.

Bei Warmfronten geschieht genau das Umgekehrte: Der Körper muss versuchen seine Normaltemperatur von 37 Grad aufrecht zu erhalten und will verhindern, dass diese Temperatur durch äußere Einwirkungen erhöht wird. Darum wird Blut bei Überwärmung aus dem Körperinneren in die Hautgefäße verlagert, damit der Körper verstärkt Wärme nach außen abgeben kann. Dieser vermehrte Blutanteil in den Hautgefäßen fehlt dann allerdings  beispielsweise auch im Gehirn, und so kann es dort zu einer Minderdurchblutung und zu Kopfschmerzen kommen.

Bei Föhn, wenn die maximalen Lufttemperaturen außergewöhnlich schnell innerhalb von 24 Stunden um mindestens 10 Grad ansteigen, ist dieser Effekt natürlich besonders extrem. Wenn der Körper darauf nicht eingestellt ist, können auch vermehrt minderdurchblutungsbedingte Kopfschmerzen auftreten.

Welche Personen sind vom Föhn besonders betroffen?
Eine große Studie der Universität München kam hierzu zu einem interessanten Ergebnis: Föhnempfindliche Menschen wurden über Monate hinweg täglich zu ihrem Wohlbefinden befragt. Man sollte dann meinen, dass jemand, der empfindlich auf Föhn reagiert, auch an jedem Föhntag Kopfschmerzen oder andere Beschwerden gehabt haben müsste. Das war aber für keinen der über 1.300 Föhnempfindlichen der Fall gewesen, auch nicht für den Durchschnitt der ausgesuchten Münchner: auch an Föhntagen hatte stets sogar die Mehrheit angegeben, dass sie sich nicht schlechter fühlte als gewöhnlich. Trotzdem stellte man insgesamt fest, dass es eben an föhnstarken Tagen vermehrt Kopfschmerzanfälle gibt. Das sind circa 10 Prozent mehr als an Nichtföhntagen.

Es gibt also noch andere Ursachen, die in Bezug auf Kopfschmerzen mindestens so wichtig sind, wie der Föhn. Ich sage also nicht, Föhn habe keinen Einfluss auf Kopfschmerzen. Doch er ist einer von vielen Ursachen und der Einfluss ist überschaubar.

Was kann man gegen diese föhnbedingten Kopfschmerzen tun?
Das Herz-Kreislauf-System trainieren und etwas gegen die zentralen Durchblutungsverminderungen tun. Dazu eigenen sich zum Beispiel Saunagänge, also mehrere circa 10-minütige Saunaeinheiten mit anschließend einer kalten Dusche oder einem kalten Tauchbad. Auch mit minutenschnell wechselnden Wechselgüssen à la Kneipp kann man den Körper auf effektive Weise trainieren, sich innerhalb einer kurzen Zeit auf starke Temperaturwechsel einzustellen. Patienten, deren Kopfschmerzen mit durchblutungssteigernden Mitteln behandelt werden, können auf diese Weise ihrer Föhnempfindlichkeit vorbeugen.

Das A und O ist dabei, sich auf das Wetter einstellen zu können. Wer sich berufsmäßig viel draußen aufhalten muss, muss sich zwangsläufig auch mehr oder weniger schnell an das Wetter anpassen und ist danach kaum noch föhnempfindlich.

Was diesbezüglich Untrainierte gerne praktizieren: Beeinträchtigende Wetterwechsel vermeiden und mehrere Stunden im gleich klimatisierten Raum verharren. Gehen Sie stattdessen im realen Wetter spazieren und trainieren Sie mit dem natürlichen Wetter Ihre Anpassungsfähigkeiten!

Interviews: Simone Zwikirsch

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Was hat der Föhn mit Wilhelm Tell zu tun

Friedrich Schillers berühmtes Drama beginnt mit einer Föhnszene:
Am Vierwaldstätter See wütet ein starker Föhnsturm. Trotz hoher Wellen schifft der tapfere und gutmütige Schweizer Volksheld Wilhelm Tell einen Flüchtigen über den See ans andere Ufer. Mit der mutigen Flucht rettet Tell den Verfolgten vor den Söldnern des Feindes.

Illustration Armbrust

Daran erkennen Sie Föhn

Charakteristisches Merkmal des Föhns ist ein sehr milder Südwind, der oft auch sehr stürmisch sein kann. Bis auf die föhntypischen Linsenwolken über den Berggipfeln vertreibt der Föhn die Wolken und macht einen strahlend blauen und sonnigen Tag.
Die extrem klare Luft bei Föhn sorgt für eine atemberaubende Fernsicht und die Berge scheinen zum Greifen nahe.


So kann man den Föhn nutzen

Hängen Sie bei Föhn Ihre Wäsche nach draußen: Der warme und trockene Föhnwind trocknet sie im Nu.

Auch Winzer freuen sich über Föhn: Der „Traubenkocher“, wie man in der Schweiz sagt, erhöht den Beerzuckergehalt in den Trauben und sorgt so für eine gute Reife.