Pechsalbe kochen
Pinzgauer Harze gegen Wunden
Der Duft von Natur, Wiesen und Blüten erfüllt die kleine Salbenküche. Das Harz verströmt seinen typisch intensiven Geruch nach Wald und Bäumen. Von der Decke hängen, bunt und aromatisch, verschiedenste getrocknete Kräuter. Heute lernen wir von Theresia Harrer, Obfrau des TEH Vereins in Unken, wie man selbst eine Pechsalbe kocht.
Die Pechsalbe oder Pechsoibm, wie sie hier im Pinzgau genannt wird, ist eine der ältesten Wund- und Heilsalben aus dem Alpenraum. Jeder Haushalt hielt früher einen Vorrat an Pech für Verletzungen bereit. Mit Pech ist das goldene, klebrige Harz von Bäumen gemeint, das den Pflanzen als Wundverschluss dient und auch für uns Menschen heilsam ist.
„Die Pechsalbe ist einfach universal“, sagt Theresia Harrer, „die sollte jede Familie zuhause haben“. Denn die Salbe ist antimikrobiell, das bedeutet sie wirkt zugleich gegen Viren, Bakterien und Pilze, sie hemmt Entzündungen, ist wärmend und wirkt bei Muskelschmerzen. Im Pinzgau ist sie schon immer das typische Hausmittel bei Verletzungen, wie Abschürfungen und Schnittwunden, und bei rissiger Haut mit Schrunden. Sie wird auch verwendet, um Schiefer und Schmutz aus der Wunde herauszuziehen.
Bunt und duftend: In der Salbenküche hängen getrocknete Kräuter von der Decke.
Für die Herstellung der Pechsalbe braucht man natürlich zuerst einmal Harz. Das findet man im Wald an Kiefern, Lärchen, Tannen oder Fichten. Im Pinzgau ist vor allem das Fichten- und Lärchenharz üblich. Wenn man das Harz von den Bäumen kratzt, ist es übrigens nicht schlimm, wenn ein bisschen Rinde oder Schmutz mit kleben bleibt. Das kann man später durch ein Sieb abgießen.
Eine Waage, um die Zutaten für die Salbe abzumessen, braucht Theresia Harrer nicht. „Wenn man das öfter macht, dann hat man das ganz gut im Gefühl“, sagt sie lachend. Zuerst gibt sie das Olivenöl und das Harz in einen Topf und erhitzt es langsam auf etwa 60 Grad. „Wärmer sollte es nicht werden, damit die Wirkstoffe nicht verloren gehen“, erklärt sie. Der Boden des Topfes sollte gut bedeckt sein, damit das Harz darin schwimmen und sich nach und nach auflösen kann.
Zutaten für etwa 6 Salbendöschen:
♥ 250 ml Olivenöl
♥ 60 g Harz
♥ 40 g Bienenwachs
♥ 5-6 Ringelblumen
♥ 3-4 Schafgarbeblüten
♥ 1 Schuss Johanniskrautöl
Traditionell wurde die Salbe im Pinzgau mit Schweineschmalz hergestellt. „Den Duft von Schmalz mag man aber heute nicht mehr so gerne, deswegen verwenden wir Olivenöl“, sagt Theresia Harrer. Das Rezept für die Salbe wurde früher meist mündlich in der Familie und über Generationen hinweg weitergetragen. Der TEH Verein in Unken hat es sich zur Aufgabe gemacht, dieses regional gewachsene Heilwissen zu erheben und in zeitgemäßer Form zu beleben.
Jetzt zupft Theresia Harrer die orangefarbenen Blütenblätter der Ringelblume ab und gibt sie zusammen mit der Schafgarbe zum Öl-Harz-Gemisch. Auch ein kleiner Schuss Johanniskrautöl kommt dazu. „Für die Haut“, sagt sie.
Mit Heilkräutern kann die Wirkung der Salbe nochmal verstärkt werden. Möchte man die Pechsalbe als Fußbalsam verwenden, passen zum Beispiel Quendel (Quendel ist übrigens wilder Thymian) oder Kümmel sehr gut, da diese Kräuter pilzhemmend sind. Möchte man die Pechsalbe als Hautpflege verwenden, sind Ringelblumen und Schafgarbe die richtige Wahl.
Etwa 2 Stunden lässt Theresia Harrer das Harz und die Blüten im Öl ausziehen.
Wenn sich das Bienenwachs aufgelöst hat, kann die Salbe in kleine Döschen abgefüllt werden.
„Jetzt sollten die Kräuter und das Pech mindestens 2 Stunden bei niedriger Hitze im Öl ausziehen“, erklärt Theresia Harrer. So können sich die Inhaltsstoffe ganz langsam im warmen Öl lösen. „Wer mag, kann die Salbe natürlich auch schon am Abend ansetzen und über Nacht ausziehen lassen. Dann hat die Salbe richtig lange Zeit“, sagt sie.
Nach 2 Stunden gießt Theresia Harrer die Pech-Öl-Blüten-Mischung durch ein Sieb ab, sodass die Rückstände der Harze und die Blütenblätter hängen bleiben. Zu der warmen Flüssigkeit gibt sie nun das Bienenwachs, um der Salbe Konsistenz zu geben. „Möchte man eine feste, dicke Salbe, die eine Art Schutzfilm auf der Haut hinterlässt, gibt man mehr Wachs dazu. Soll die Salbe weicher sein und besser einziehen, gibt man weniger dazu“, erklärt sie.
Als sich das Bienenwachs vollständig aufgelöst hat, gießt sie die fertige Salbe in die kleinen Döschen. „Den Deckel noch nicht draufschrauben, sondern die Salbe erst in den Tiegeln abkühlen lassen“, sagt sie zum Abschluss. So hält die Pechsalbe gut zwei Jahre.
Den Deckel erst auf die Döschen schrauben, wenn die Salbe vollständig ausgekühlt ist.
Harz, Öl, Wachs und ein paar Kräuter: Fertig ist die Pechsalbe nach altem Pinzgauer Rezept.
Theresia Harrer liegt es sehr am Herzen, zu vermitteln, dass man nur wenig braucht, um in der eigenen Küche eine Pechsalbe kochen zu können. „Es ist so einfach und unkompliziert“, betont sie, „da kann sich jeder drüber trauen“. Am liebsten sammelt sie die Zutaten für die Salben selbst. „Ich geh gar nicht mehr ohne ein Messer und ein Sackerl durch die Natur“, sagt sie lachend.
Die Expertin
Theresia Harrer kommt aus Unken im Salzburger Land. Sie ist seit 2007 Obfrau des TEH Vereins, der sich mit der traditionellen europäischen Heilkunde beschäftigt und sich zum Ziel gesetzt hat, das Pinzgauer Heilwissen zu erheben und wieder in die Familien zu tragen. Im März 2010 wurde das Heilwissen der PinzgauerInnen von der UNESCO zum immateriellen Kulturerbe ernannt.