Stille Nacht, heilige Nacht
„Da klingt ein Stück Heimat mit“
Alles ist getan, und jeder ist bereit, bereit für den magischen Moment. Der Bürgermeister hat sein Grußwort verlesen, der Pfarrer seine Ansprache gehalten. Die Dunkelheit ist angebrochen und hat sich wie ein Mantel über die kleine Kapelle gelegt, es ist „dumper“, wie man hier sagt.
Sogar der Schnee scheint für einen Moment innezuhalten
In den tiefgrünen Zweigen der Tannenbäume brennen längst die Lichter und spiegeln sich in den Eiskristallen des Schnees. Sogar er scheint zu warten, scheint aufgehört zu haben unter den schweren Stiefeln zu knirschen, als wolle er eben jenen magischen Moment nicht verpassen. Den Moment, der um kurz vor sechs an Heiligabend im österreichischen Oberndorf beginnt mit zwei Männerstimmen und vier weltbekannten Worten: „Stille Nacht, heilige Nacht!“
In der Oberndofer Kirche sind die Lichter ausgegangen. Der große Moment ist da: Die Mairoll-Brüder heben an, der Chor stimmt ein in die „Stille Nacht, heilige Nacht“.
Zwei Monate vor Weihnachten. So weit entfernt noch Dunkelheit und Eis an diesem Herbstnachmittag sein mögen, so nah scheinen bereits stille und heilige Nacht, hier an dem Tisch in dem kleinen Bistro am Rand von Oberndorf. Eigentlich sollte es zum Café Gruber gehen, auf eine Melange und Stille-Nacht-Pralinen. Doch der Gruber hat zu.
Nun also hier, keine zwanzig Meter von der Brücke, die über die Salzach hinweg nicht nur zwei Städte, sondern auch zwei Länder verbindet: Deutschland dort und Österreich hier, Bayern links und Salzburger Land rechts.
„Dieses Lied kennt man in Afrika genauso wie in Amerika oder Asien“
Oberndorf liegt auf der rechten Seite, früher gehörte es zu Laufen am anderen Ufer. Jetzt ist es eine eigenständige Gemeinde, seit 2001 eine Stadt sogar, die zwar nur wenig mehr als 5000 Einwohner, aber dafür den Ruf als Krippe des bekanntesten Weihnachtsliedes der Welt hat: „Dieses Lied kennt man in Afrika genauso wie in Amerika oder Asien. Es ist inzwischen in mehrere Hundert Sprachen und Dialekte übersetzt worden“, weiß Professor Josef A. Standl.
Er stammt selbst aus Oberndorf, und das Standardwerk über „Stille Nacht“ stammt von ihm. Standl hat die Fotos mit dem Schnee und der Kapelle, die wie ein Oktogon gebaut ist, mitgebracht und weitere, zum Beispiel von den Stille-Nacht-Historienspielen, die er inszeniert und die jedes Jahr im Advent zahlreiche Besucher aus allen Teilen der Welt anziehen.
Josef Standl hat das Standardwerk zur „Stillen Nacht“ geschrieben. „Das Lied geht Menschen so ans Herz, weil es sehr authentisch ist“, sagt er.
Josef A. Standl ist ein kräftiger Mann, „a g’standn’s Mannsbild“, der es im Zeitungsgeschäft zu etwas gebracht hat. Und doch, trotz all der Texte, die er geschrieben, gelesen und gedruckt hat, sind es diese sechs Strophen, die ihn sein Leben lang fasziniert haben und noch immer faszinieren.
„Der Erfolg kommt wohl daher, dass die Kombination von Text und Melodie einerseits ganz einfach ist und andererseits wahnsinnig gut passt“, versucht der Herr Professor zu erklären und fügt hinzu: „Das Lied geht Menschen so ans Herz, weil es sehr authentisch ist. Es weckt Emotionen, weil es mit Emotionen geschrieben wurde.“
Weihnachten drohte trostlos zu werden, damals,
nach den Napoleonischen Kriegen
Die Emotionen, mit denen „Stille Nacht“ verfasst wurde, sind bei Experten, Forschern und vielen anderen ein Thema, seit das Stück das erste Mal gespielt wurde, also seit fast 200 Jahren. 1818 war das, und die Emotionen hatten wenig mit dem zu tun, was Weihnachten heute oft bedeutet: Nichts war es mit teuren Geschenken, Darben statt Gaben, es war die Zeit nach den Napoleonischen Kriegen.
In Oberndorf, das bis 1816 zum bayerischen Laufen gehörte, lag der Schiffsverkehr auf der Salzach am Boden, er hatte die Gegend wohlhabend gemacht. Geld gab es nur für das Allernötigste, für etwas Brot und warme Socken vielleicht. Aber sicher nicht für die Reparatur der kaputten Orgel der Oberndorfer St.-Nikolaus-Kirche.
Auf der anderen Seite ist schon Bayern: Die Salzach trennt Oberndorf von Laufen, das hier im Licht der Abenddämmerung liegt.
Joseph Mohr wollte wenigstens an Weihnachten seinen Mitbürgern etwas Ablenkung und Trost schenken und erinnerte sich deshalb an ein Gedicht, das er zwei Jahre zuvor in Mariapfarr geschrieben hatte, und an seinen Bekannten Franz Xaver Gruber.
Der war nicht nur Dorflehrer im nahen Arnsdorf, sondern auch Organist und obendrein begeistert von Mohrs Bitte, das Gedicht mit seinen sechs Strophen für zwei Gesangsstimmen, einen Chor und eine Gitarre zu vertonen.
Die alte Kirche gibt es nicht mehr.
Heute steht dort die kleine Stille-Nacht-Kapelle
Noch am Nachmittag des 24. Dezembers komponierte Gruber die Melodie und damit das Stück, das wenige Stunden später in der Christmette in St. Nikolaus erstmals erklingen sollte. Simpel, aber sensationell.
Die St.-Nikolaus-Kirche, in der Gruber und Mohr 1818 gespielt und gesungen haben, gibt es heute nicht mehr, sie musste wegen Hochwassers abgerissen werden. An ihrer Stelle, auf einer Anhöhe, wurde eine kleine Kapelle errichtet. In den seitlichen Glasfenstern sind Texter und Komponist abgebildet. Die neue Oberndorfer Kirche befindet sich weiter im Stadtzentrum, etwa zehn Minuten entfernt vom alten Standort.
REPORTAGE Bernd Weiß ist Krippenbauer in Sulzberg bei Kempten. Und das ist die Geschichte über einen, für den das ganze Jahr über ein bisschen Weihnachten ist und der sich gut vorstellen kann, dass Jesus in einem Allgäuer Stadel zur Welt gekommen ist.
Eine Orgel gibt es heute natürlich wieder, eine intakte sogar, doch die ersten Klänge von „Stille Nacht“, die während der Christmette zur Gabenbereitung erklingen, die stammen immer noch von zwei Männerstimmen, von den Brüdern Johannes und Georg Mairoll, und von Gitarrensaiten. Erst zum Schluss der Messe spielen Orgel und Orchester, singen Chor und Gemeinde im dunklen Kirchenschiff.
„Wir legen Wert darauf, dass das ‚Stille Nacht‘ erst am Heiligabend erklingt“, sagt Christa Sperling, als Chorleiterin und Organistin gewissermaßen die Nachfolgerin Franz Xaver Grubers. „Wenn dann zum Schluss die Kirche völlig dunkel ist und alle zusammen das Lied anstimmen, berührt mich das immer wieder. Denn dann fühle ich: Jetzt ist wirklich Weihnachten.“
„Wenn dann die Kirche völlig dunkel ist und alle zusammen das Lied anstimmen,
dann fühle ich: Jetzt ist wirklich Weihnachten“
„Oberndorf ist für mich ein Glücksfall“, so sieht Christa Sperling ihre neue Heimat, in die sie 1994 gekommen ist. Sie sitzt im Pfarrhaus, das graue Haar halblang geschnitten und die Brille halbhoch gerückt, neben ihr auf dem Tisch eine abgegriffene Mappe mit ebensolchen Notenblättern. Es sind die Noten der Stille-Nacht-Messe von Hans Klier, über die Christa Sperling sagt: „Das ist unsere ‚offizielle‘ Christmette. Als ich hierher kam, musste ich erst einmal genaue Angaben machen, wo Orchester oder Chor einzusetzen haben. Jetzt kann ich das fast aus dem Kopf.“
Eigentlich sollte die Chorleiterin und Organistin Christa Sperling nur aushelfen – jetzt ist sie zwei Jahrzehnte geblieben. Und sagt immer noch: Dieses Lied ist einzigartig.
Eigentlich sollte sie ja damals nur aushelfen, doch am Ende blieb sie. Zwei Jahrzehnte ist das jetzt her, und trotzdem erinnert sich die Organistin noch immer gut an ihr erstes „Stille Nacht“ als Verantwortliche: „Ich wusste, dass das jetzt etwas ganz Besonderes ist, und ich war nervös. Als es dann aber losging, haben mich die Zeilen einfach getragen. Das klingt jetzt vielleicht etwas kitschig: Aber selbst nach so langer Zeit würde ich sagen, dass ‚Stille Nacht‘ einzigartig ist. Dieses Lied lebt.“
So viele Menschen sind mit dieser Melodie aufgewachsen.
Wenn man sie hört, dann fühlt man sich geborgen
Oder, wie es Professor Standl ausdrückt: „So viele Menschen sind mit dieser Melodie aufgewachsen. Wenn man sie hört, dann fühlt man sich geborgen. Dann klingt da ein Stück Heimat mit.“
Geborgenheit und Heimat: Reicht das für eine sagenhafte Erfolgsgeschichte? Nun, etwas Glück war schon auch dabei. Zum Beispiel, dass der Tiroler Carl Mauracher, der etwas später in Oberndorf eine neue Orgel installierte, wieder zurück im Zillertal die bekannte Sängerfamilie Rainer inspirierte, die das Lied 1819 in Fügen aufführte. Dann hörte die Familie Strasser aus Laimach von dem Stück, die es danach auf Geschäftsreisen vorstellten, 1831 unter anderem das erste Mal in einem größeren Rahmen, und zwar in Leipzig.
Bereits nach den ersten Auftritten in Leipzig erschien beim Dresdner Musikverlag A. R. Friese der Erstdruck des Stücks, damals freilich noch als „Tiroler Volkslied“ klassifiziert. Einige Jahre später war es schon überregional bekannt und beispielsweise im Klassiker „Musikalischer Hausschatz der Deutschen“ abgedruckt, allerdings mit einigen Abweichungen zur ursprünglichen Version.
Kirche und Schule im nahegelegenen Arnsdorf: Hier war Franz Xaver Gruber Leher und komponierte die Melodie von "Stille Nacht, heilige Nacht".
Nikolaus Erber, dem heutigen Pfarrer von Oberndorf, „gefällt die Einfachheit dieses Liedes. In einer Zeit, in der Weihnachten oft zu Kitsch und Kommerz verkommt, wirkt dieses Lied auf erfrischende Weise bodenständig.“
Wenn in der Christmette zu Oberndorf, am Geburtsort des Liedes, schließlich die „Stille Nacht“ erklingt, ist es ein Höhepunkt des Weihnachtsfestes.
Diese Version fand schließlich auch Komponist Gruber, der seinerseits eine offizielle Anfrage vom Hofe Friedrich Wilhelm IV. im Jahre 1854 dazu nutzte, in seiner „Authentischen Veranlassung“ zu beschreiben, wie das Lied entstanden war, also keinesfalls in Tirol, sondern eben im kleinen salzburgischen Oberndorf.
Dazu ließ er das Stück so veröffentlichen, wie er und Mohr es an jenem legendären Weihnachtsabend 1818 gespielt hatten, doch inzwischen waren schon viele Varianten im Umlauf. Mag das die Puristen auch geärgert haben, für den Erfolg war das nur förderlich.
Dazu kamen zwei weitere Faktoren: Erstens die Tatsache, dass das Lied nicht nur im einfachen Volke gespielt und geliebt wurde, sondern auch in höchsten Kreisen Anklang fand. So erfuhr kurz nach den Rainer-Darbietungen in Leipzig jener Friedrich Wilhelm IV. von „Stille Nacht“, es wurde sein Lieblingsweihnachtslied und gelangte bis nach St. Petersburg und am Ende sogar nach Amerika, wo es bereits 1859 von John Freeman Young in die englische Fassung gebracht wurde, bis heute das beliebteste Weihnachtslied in der englischsprachigen Welt.
Im Kriegswinter 1914 sagen die Soldaten „Stille Nacht, heilige Nacht“
und erreichten damit ein paar Stunden Waffenruhe
Das Lied aus einer kleinen Gemeinde an der Salzach war damit endgültig der internationale Weihnachts-Hit schlechthin geworden. Dabei wurde es nicht nur interkontinental, sondern auch interkonfessionell beliebt, was eine zweite Erklärung für die weite Verbreitung ist. „‚Stille Nacht‘ vereint die Menschen“, meint dazu Professor Standl und erzählt eine Geschichte, an die besonders in diesem Jahr, dem 100. Gedenkjahr des Beginns des Ersten Weltkrieges, wieder erinnert wurde:
Zu Weihnachten 1914 schien nichts darauf hinzudeuten, dass die Hunderttausenden in den Schützengräben eine stille oder gar heilige Nacht verleben würden. Sie kauerten da und froren und warteten und froren weiter. Bis auf einmal, auf der deutschen Seite, einer der Soldaten leise zu singen anfing: „Stille Nacht, heilige Nacht“.
Der zweite und der dritte Kamerad stimmten ein, immer mehr und immer lauter, bis auf einmal von der anderen Seite aus Rufe herüberschallten: „Good old Fritz“ und „Encore, encore“. Die Deutschen antworteten erneut musikalisch, diesmal mit „Merry Christmas“ und endlich der Aufforderung „We not shoot, you not shoot!“ Für Stunden herrschte danach Friede an der Front – ein Weihnachtswunder, ausgelöst von „Stille Nacht, heilige Nacht“.
Die Sankt-Nikolaus-Kirche in Oberndorf, in der „Stille Nacht“ 1818 erstmals ertönte, musste einst wegen Hochwassers abgerissen werden. Heute steht an ihrer Steller diese Kapelle, vor der die Brüder Mairoll hier singen.
An den Krieg und an seine Schrecken erinnert wenig, wenn man heute Oberndorf besucht. Bevor man zum Bistro kommt, in dem Professor Standl alles über Entstehungsgeschichte und Verbreitung und einige Details mehr verraten hat, fährt man durch das wunderbare Berchtesgadener Land, das einmal zum Erzbistum Salzburg gehörte, als dieses sich noch weit über die Stadtgrenzen der Mozartstadt hinaus erstreckte, und das heute Teil Bayerns ist, aber seine innere Beziehung zum Nachbarn nie verloren hat.
Noch heute nennt man das Gebiet an der Salzach „Rupertiwinkel“, nach dem heiligen Rupert, der nicht nur als erster Bischof von Salzburg verehrt wird, sondern auch als „Apostel von Bayern“.
Hilfspfarrer Mohr war nicht lange in der Gemeinde,
aber er hinterließ ihr einen musikalischen Schatz
Durch diese Felder und Fluren und Wiesen und Wälder kommt man also, ehe man die prächtige Brücke überquert, die „Länderbrücke“ aus Eisen und 165 Meter lang, die Anfang des 20. Jahrhunderts errichtet und mit dem kaiserlich-österreichischen und dem königlich-bayerischen Wappen geschmückt wurde. Sodann verlässt man Laufen und betritt Oberndorf.
Von hier sind es keine zehn Minuten mehr zum Kirchplatz, der noch Zentrum und Mittelpunkt der Stadt ist, so wie sich das in dieser Gegend auch gehört. In der Mitte die Nikolaus-Kirche, die neue. Pfarrer Mohr hat sie nie gesehen, zu seiner Zeit gab es ja noch die alte Kirche am heutigen Stille-Nacht-Platz. Überhaupt hat Joseph Mohr nicht viel Zeit in der Gemeinde zugebracht, der er den Schatz hinterließ, der von der UNESCO offiziell als immaterielles Kulturerbe geadelt wurde.
Die eiserne „Länderbrücke“ mit dem kaiserlich-österreichischen und dem königlich-bayerischen Wappen verbindet Oberndorf und Laufen.
„Pfarrer Mohr war nur zwei Jahre in Oberndorf, dann wurde er wieder versetzt. Das war damals nicht unüblich“, sagt Nikolaus Erber. Er ist als Pfarrer von Oberndorf sozusagen Mohrs pastoraler Nachfahre. „Als ich das erste Mal hier die Christmette gefeiert habe, ging mir durch den Kopf: Jetzt bin ich an dem Ort, von dem aus das Lied um die Welt gegangen ist.“
Und weiter: „Das Lied ist erfüllt vom Weihnachtsevangelium und den biblischen Texten der Heiligen Nacht. Wenn die beiden Mairoll-Brüder das bei der Gabenbereitung anstimmen, dann ist das für mich ein Höhepunkt des Weihnachtsfestes.“
Heute kommen Touristen, besichtigen das Museum und hören sich
das Lied an, auf Deutsch, Englisch – sogar auf Chinesisch
Nikolaus Erber hat in die Teeküche des Pfarrhauses gebeten. „Mir gefällt die Einfachheit dieses Liedes. Diese Botschaft ist heute noch aktuell, vielleicht sogar mehr denn je. In einer Zeit, in der Weihnachten oft zu Kitsch und Kommerz verkommt, die oft so stressig und laut ist, da wirkt dieses Lied auf erfrischende Weise einfach und bodenständig.“
Nikolaus Erber hat am Mozarteum in Salzburg Violine studiert, und irgendwie scheint sein Weg auf eine besondere Art mit „Stille Nacht“ verknüpft. Seine erste Christmette durfte er in Arnsdorf feiern, gleich neben der Kirche steht das Schulhaus, wo einst der Dorfschullehrer Franz Xaver Gruber unterrichtete. Auch in Hallein war er Kooperator, wo Gruber nach seiner Zeit in Arnsdorf als Chorregent wirkte.
PFERDEWALLFAHRT: Immer am 6. November findet die berühmte Leonhardifahrt Bad Tölz statt. Mittendrin sind der Pfisterfranzl und seine Frau Maria. Für die beiden Bauern ist der Tag eine Herzensangelegenheit, für den sie keine Mühe und kein Wetter scheuen.
Der Besuch bei Pfarrer Nikolaus Erber ist zu Ende und der Aufenthalt in Oberndorf auch, fast zumindest. Denn bevor es zurück über die Länderbrücke geht, noch ein letzter Abstecher zum Stille-Nacht-Platz vor der Kapelle. Sogar heute kommen Touristen, eine Reisegruppe aus Deutschland, ein Pärchen aus Frankreich.
Sie besichtigen das Museum, in dem Kopien des Originalliedes zu bestaunen sind, Biographisches aus dem Leben von Mohr und Gruber und im obersten Stockwerk alles über die Schiffergarde, die Männer in Uniformen, die an Heiligabend immer Geleit stehen und das alte Schifferhandwerk verkörpern, das Oberndorf einst geprägt hat. Die Besucher hören sich das Lied an, auf Deutsch, Englisch und Chinesisch.
In einigen Wochen werden Tausende aus aller Welt kommen, um ab fünf am Nachmittag darauf zu warten, dass es dumper wird und dann endlich Weihnachten ist.
„Stille Nacht, heilige Nacht“ fasst in Worte, wonach wir
uns alle sehnen: nach Frieden, Heimat und Geborgenheit
Pfarrer Nikolaus Erber wird das Weihnachtsevangelium verkünden, Professor Josef A. Standl mit der Familie vor der Kapelle stehen und Organistin Christa Sperling wird sich innerlich vorbereiten auf den Moment, wenn nur noch das Licht über der Orgel an ist, sie die ersten Tasten drückt und „Stille Nacht“ anstimmt.
Oberndorf, die kleine Gemeinde an der Salzach, wird dann für einige Augenblicke zum Zentrum der Weihnachtswelt. Und viele der Menschen in der Kirche werden das fühlen, was sie mit Millionen anderen über Tausende Kilometer verbindet und was Nikolaus Erber so beschrieben hat: „Es gibt viele Weihnachtslieder. Aber ‚Stille Nacht, heilige Nacht‘ drückt für mich am besten aus, was Weihnachten wirklich bedeutet. Deshalb berührt uns das Lied so sehr, deshalb ist es ein Lied der Glaubenden. Weil es in Worte fasst, wonach wir uns alle sehnen: nach Frieden, Heimat und Geborgenheit.“
Text: Simon Biallowons • Fotos: Bethel Fath
Schreiben sie eine E-Mail an die RedaktionZWEI MÄNNER SCHREIBEN MUSIKGESCHICHTE
Hilfspfarrer Joseph Moor wollte seiner Gemeinde zu Weihnachten etwas Trost schenken und erinnerte sich an ein Gedicht, das er zwei Jahre zuvor geschrieben hatte.
Er bat seinen Bekannten Franz Xaver Gruber, Dorflehrer im nahen Arnsdorf, das Gedicht zu vertonen.
Noch am Nachmittag des 24. Dezembers komponierte Gruber die Melodie, die wenige Stunden später in der Christmette erstmals erklang – und die heute weltberühmt ist.
WIE SICH DIE ZEILEN WANDELN
Von anfangs sechs Strophen singt man heute nur noch drei.
Und auch über die Reihenfolge ist man sich uneins: Im katholischen Gotteslob in Deutschland etwa ist „Hirten erst kundgemacht“ die zweite Strophe, „Gottes Sohn, o wie lacht“ die dritte. In Oberndorf, wo das Lied herkommt, singt man’s genau andersherum.