Ein edler Wohltäter kehrt zurück

Brezenreiter

Ein edler Wohltäter kehrt zurück

Drei Bilder des Bretenreiters bei seinem Ritt durch München

Die Münchner hatten ihn einfach vergessen, den prächtigen Reiter, der einst Brezen an arme Bürger verteilte. Zweihundert Jahre lang war dieser mittelalterliche Brauch ausgestorben – bis vor Kurzem ein Ire in München die Legende wiederbelebt hat.

Wenn in München ein schwarz-golden gewandeter Reiter durch die Straßen zieht und Brezen verteilt, dann liegt das an einem Kaufmann aus dem Mittelalter: Burkhard Wadler war durch Salzhandel zu außerordentlich großem Reichtum gekommen und wollte zusammen mit seiner Frau etwas an die Stadt München und ihre Bewohner zurückgeben.

Im Jahr 1318 stiftete er die enorme Summe von „63 Pfund Pfennigen“ an das Heilig-Geist-Spital am Viktualienmarkt. Nicht nur die Höhe war besonders: Überhaupt waren Stiftungen von weltlichen Bürgern damals noch außergewöhnlich. Wadler und seine Frau waren damit Pioniere.

Eine Prügelei setzte dem
alten Brauch ein Ende

Dank der großzügigen Spende konnten die Ärmsten der Stadt nun einmal pro Woche zusätzlich vom Heilig-Geist-Spital mit Essen versorgt werden. Und einmal im Jahr kam ein Reiter in die Stadt und verteilte, hoch zu Ross, Brezen an jedermann, ob arm oder reich. Bei diesem Marsch wurden um die 3000 Brezen verteilt – dabei hatte München zur Zeit der Stiftungsgründung nur um die 7000 Einwohner.

Fast ein halbes Jahrtausend lang war der Brezenreiter ein lieb gewonnener Brauch für die Münchner, bis 1801 ein folgenreiches Unglück geschah. Der Knecht, der damals den Brezenreiter verkörperte, hatte zu wenig Laugengebäck für die gierige Menge dabei. Die Leute holten den armen Jungen kurzerhand vom Pferd und verdroschen ihn.

Gar nicht amüsiert darüber war die Stadtobrigkeit und verbot den traditionellen Umzug per Dekret. So fiel der Brauch über die Jahre in Vergessenheit. Nur wer genau hinsah, konnte noch Spuren davon finden, in historischen Quellen oder Malereien – zum Beispiel in der Heilig-Geist-Spital-Kirche am Viktualienmarkt, einer der ältesten und bekanntesten Kirchen im Herzen Münchens. In einem der Deckengemälde dort kann man den Brezenreiter bis heute entdecken. Nur wusste kaum jemand dieses Bild zu deuten.

Ein Ire zeigt den Münchnern
ihre alte Tradition

Doch dann kam John Mullarney. Der gebürtige Ire war 1992 nach München umgesiedelt und ganz begeistert vom Brauchtum und den alten Traditionen seiner neuen Heimatstadt. Zusammen mit zwei Freunden verhalf er dem Brezenreiter 2007 zu neuem Leben: Zum jährlichen Münchner Stadtgeburtstag veranstalteten sie den ersten offiziellen Ausritt seit über zweihundert Jahren. In die schwarz-goldenen Stadtfarben gewandet, führte der Reiter einen Umzug von über 300 Feuerwehrfahrzeugen an.

Auch beim Oktoberfest-Umzug ein Jahr später war der Brezenreiter – dargestellt von Horst Hatzold vom Daglfinger Reit- und Voltigierverein – an prominenter Stelle dabei. Das ging nur, weil der Hengst Ludwig so „ein wahnsinnig gutmütiges Tier“ war, erinnert sich Tobias Hörl, einer von Mullarneys Freunden. „Es nähern sich ja ständig und von allen Seiten Leute“, so etwas erträgt nicht jedes Pferd.

Hörl ist es, der heute das Erbe des Brezenreiters weiterpflegt, nachdem sein Freund Mullarney, der Wiederentdecker der Legende, im Jahr 2009 auf tragische Weise im Urlaub ertrunken ist. Die Projekte um den Brezenreiter sollen weiterhin einen karitativen oder gemeinnützigen Kern haben. Damit der Reiter nicht zum „Gaudiburschen“ verkommt, hat Hörl sich die Rechte an Namen und Figur sichern lassen.

Fast könnte er ein alternatives
Wahrzeichen für München sein

In den letzten Jahren musste der Brezenreiter allerdings zu Fuß gehen: Der gutmütige Hengst Ludwig ist nicht mehr am Leben. Darum sucht Hörl derzeit nach einem neuen geeigneten Pferd – und auch nach neuen Mitstreitern. Für 2019 plant er zunächst ein Stück in Zusammenarbeit mit der Kammerphilharmonie dacapo, einem renommierten Münchner Orchester. Auch einen „Brezenreiter-Marsch“ gibt es inzwischen:

Der „Brezenreiter-Marsch“ stammt von Hans Kröll, der auch schon für das ZDF und den BR komponiert hat.

Der edle Reiter als großzügiger Spender könnte fast ein alternatives Wahrzeichen der Stadt darstellen in Zeiten, in denen oft davon die Rede ist, dass hier stetig alles teurer wird und sich viele das Leben hier kaum mehr leisten können. Die „Weltstadt mit Herz“ täte vielleicht gut daran, ihr Motto nicht zur Phrase verkommen zu lassen. Am Brezenreiter kann sie sich ein Beispiel nehmen – ein Beispiel aus der eigenen Vergangenheit.